Syrien – Kleine Erinnerungen an eine Reise
Syrien – Kleine Erinnerungen an eine Reise

Syrien – Kleine Erinnerungen an eine Reise

Dieser Beitrag ist 2010 entstanden und wurde später bearbeitet. 2011 war ich zum letzen Mal in diesem schönen Land zu Besuch, denn 2011 brach dort ein Krieg aus, der bis heute andauert. Damals bin ich quer durch das Land durch Damaskus, Tartus, Homs rauf bis Aleppo gefahren. Vieles von dem, was ich damals fotografiert habe, gibt es heute nicht mehr. Alle Erinnerungen an die Zeit vor dem Krieg hüte ich wie einen Schatz, darum bleiben die Beiträge, so unausgefeilt sie damals auch waren, auf meinem Blog, als kleine Idee von einem Land in friedvolleren Zeiten.

Ursprünglich – und als es noch keinen Krieg gab – hieß dieser Beitrag „Überlebenstipps – oder: Wie man in Syrien überlebt“ und war scherzhaft gemeint. In Anbetracht der seit Jahren bestehenden Situation, dass Menschen dort im Krieg ihr Leben verlieren, habe ich diesen Titel gelöscht, ist er doch jetzt nicht mehr lustig, sondern nur noch zynisch traurig.

Willst Du eine Straße in Damaskus überqueren, schließe die Augen, atme tief ein, zähle bis drei und stürze dich auf die Straße. Wirst du angehupt, hast du alles richtig gemacht: Die Autofahrer haben dich gesehen und werden halten. Wichtig: Halte Augenkontakt mit jedem Autofahrer, an dem du vorbeikommst. Wirst du nicht angehupt: Viel Glück.

Mit dem Taxi oder dem Microbus kommt man in Damaskus sehr gut voran, auch wenn man mit dem Taxifahrer den Fahrpreis vorher verhandeln sollte. Einen Leihwagen zu fahren würde ich mich dort nicht trauen, denn Regeln richten sich immer nach dem, der am lautesten hupt. Außerhalb sind die Straßen ruhiger, aber auch hier ist auf die Verkehrszeichen nicht unbedingt Verlass.

Wie nimmt man ein Taxi? – Stelle dich an den Straßenrand einer stark befahrenen Straße und winke jedes gelbe Auto an. Einsteigen, auf Arabisch oder mit Händen und Füßen sagen, wohin du willst – fertig. Zur Orientierung: Innerhalb der Stadt kosten Einzelfahrten selten mehr als 50 S.L. – viele Taxifahrer haben zwar Zähler, aber die laufen nicht immer richtig…und bei Touristen noch seltener ;).

Quer durch das Land kommt man gut mit Reisebussen, die von Busbahnhöfen in den großen Städten abfahren. Oder man mietet sich einen Fahrer, der einen mit dem Taxi größere Entfernungen fährt.

Orientierung: Lerne die ortsüblichen Namen der wichtigsten Kreisverkehre im Zentrum von Damaskus oder Aleppo und wie du von deinem Wohnort zum nahegelegenen Kreisverkehr kommst. Dann brauchst du, egal wo du bist, dem Taxifahrer nur noch den Kreisverkehr nennen. Besorge dir außerdem bei der Touristeninformation einen kostenlosen (und wirklich guten im Vergleich zu dem im LonelyPlanet) Stadtplan.

Beim Einkaufen im Souq ist es hilfreich, nicht jedem Händler zu glauben und wenn möglich einen Einheimischen für sich handeln zu lassen …das lässt die Preise dramatisch fallen. Du suchst etwas Bestimmtes und der Onkel sagt dir: Komm mit, mein Kollege kennt einen, der hat ’nen Laden und hinter dem Laden gibt’s ’nen Laden, wo man das bekommt.“? – Geh mit, denn so läuft das da (aber es kann vielleicht nicht schaden, wenn noch jemand bei dir ist).

Überhaupt sind die Basare in der Altstadt von Damaskus und Aleppo meine liebsten Orte (neben dem Jabal Qasyon in Damaskus, der eine wunderbare Aussicht bietet, den Stränden bei Tartous, den Burgen im Land und den Wäldern im Norden). Man kann sich so wunderbar im Getümmel der Gassen verlieren, wo man von Gewürzen bis zu Teppichreinungsbürstchen, Schildkrötenpanzern und Hochzeitsdiademen, Süßigkeiten und Badeseifen wirklich alles findet. [Ich war sehr geschockt, als ich das erste Mal die Panzer und Blutegel zum Verkauf gesehen habe.]

Wer den Basar auch einmal in ruhiger Stimmung erleben will, sollte ganz früh morgens oder abends kommen – grade im Kontrast zum Gewirr des Tages interessant. Die Verkäufer werden dir sehr viel anbieten und dich in die Läden bitten – und genauso vehement darfst du ablehnen oder freundlich den Kopf schüttelnd weitergehen.

Durstig? Überall gibt es leckere frische Obstsmoothies („Cocktails“ ohne Alkohol) zu kaufen, die furchtbar auf die Hüften gehen, wenn man das Komplettprogramm wählt, weil sie oben auf eine dicke Sahnecremeschicht haben. Wer sich auskennt: Abu Shaker ist ‚out‘ – Abu Abdo ist ‚in‘.

Wen unterwegs der Hunger überkommt, der kann entweder in eines der vielen Restaurants gehen, oder einfach unterwegs einen Snack von einem Händler kaufen. Von gegrillten oder gekochten Maiskolben über Gebäck ist alles dabei. Die Empfehlung „Peel it, boil it, cook it or leave it“ („Schäle es, koche es, brate es oder vergiss es“) sowie „kein Eis aus der Tiefkühltruhe aus kleinen Läden“ (Stromausfall!) bewahrt dabei vor unangenehmen Durchfallerkrankungen. Bedenkenlos kann man in der Regel in Restaurants essen (aber auch hier Vorsicht bei Salaten!), und das Ambiente in den alten arabischen Häusern ist wundervoll!

Du liebst Milchpuddig? Dann frag doch mal bei Leewan oder im Souq in Damaskus bei Bakdash nach Kishke. Kleine Empfehlung dazu: Bekommst du die Süßigkeit im Plastikbecher, lass einen kleinen Rest am Boden übrig – der schmeckt meistens auch nach Plastik. Bekommst du bei Bekdash eine Glasschüssel, iss vorsichtig. (Kleines Glasstückchen im Pudding)

Sehenswürdigkeiten gibt es in Syrien sehr sehr…sehr viele. Nicht alle sind gut erhalten, und einige werden erst seit einigen Jahren restauriert und geschützt. Aber aus jeder Ecke und jedem Winkel der kleinen und großen Städte, der Gassen, der Burgen und der Landschaft strömt die Geschichte von tausenden von Jahren (immerhin ist Damaskus bereits im 15Jhd. vor Christus schriftlich erwähnt und auch Aleppo ist sehr, sehr alt…).

Und ein Thema noch: Toiletten. Diese können etwas gewöhnungsbedürftig sein, findet man zumeist nur eine in den Boden eingelassene Toilettenschüssel, die man im Hocken benutzt. Aber da öffentliche Toiletten häufig nicht sehr sauber sind, sind diese mitunter die bessere Alternative zur herkömmlichen Kloschüssel. Es empfiehlt sich, vor dem Toilettengang Taschentücher oder Servietten mitzunehmen (und vielleicht das Geschäft im Hocken „trocken“ zu üben, ohne mit der Bekleidung den Boden zu berühren und ohne sich irgendwo festzuhalten).

Nachtrag 02/2020: Die Menschen in Syrien habe ich damals als sehr gastfreundlich erlebt. Wie oft haben Gesichter gestrahlt, wenn ich ein paar Worte Arabisch zusammengestammelt habe. Heute sind viele dieser Menschen bei uns in Deutschland, mit Erlebnissen, die keiner von uns erleben möchte, mit Trauer, aber auch mit Hoffnungen. Und eine Hoffnung vieler ist, Syrien irgendwann in Frieden wieder betreten zu können. Und dieses hoffe ich auch. Aus tiefstem Herzen.

2 Kommentare

  1. Kasia

    Krass, was haben denn kleine Glasstückchen im Pudding verloren?

    Ich lese Deine Syrien-Geschichten mit großem Interesse. So gerne hätte ich das Land vor dem Krieg gesehen, so wie es wirklich war. Wer weiß, wann sich die Lage jetzt wieder beruhigt. Es muss für Dich sehr berührend sein, ein Land, das Du einmal bereist hast, nur noch in den Nachrichten im Zusammenhang mit Krieg und Gewalt zu sehen. Ich denke, Du hast da einen ganz anderen Bezug dazu, da Du schon mal da warst…

    Lg Kasia

    1. Da hast du aber einen wirklich alten Beitrag ausgebuddelt :). Dieser Beitrag ist damals noch auf einem ganz anderen Blog entstanden und da auch eher mehr so „on the go“. Beim Umzug ist er dann irgendwie mitgekommen. Aber jetzt nehme ich deinen Kommentar mal zum Anlass, meine Syrienbeiträge etwas zusammenzufassen und ein paar der alten Bilder einzufügen.

      Es war dort wunderschön und tatsächlich fällt es mir sehr schwer, mir vorzustellen, wie es dort jetzt ist. Ich kenne sehr viele Orte dort und bin quer durch das Land gereist. Ich habe Menschen dort, die mir sehr lieb und teuer sind. Ich habe viel Freundlichkeit dort erlebt.

      Und zugleich sind die Dinge, die ich mir als Kind so einfach vorgestellt habe (wenn Krieg ist, dann kommen die halt zu uns) jetzt sehr schwer. Ich hoffe auf Frieden, überall.

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