Panoramabahn in der Schweiz: Mit dem Bernina Express von Chur nach Tirano und zurück
Panoramabahn in der Schweiz: Mit dem Bernina Express von Chur nach Tirano und zurück

Panoramabahn in der Schweiz: Mit dem Bernina Express von Chur nach Tirano und zurück

Wenn der Seemann zum Berg gerufen wird, entsteht eine der wunderbarsten Eisenbahnstrecken der Welt.

Es ist 1865 und der junge Mann mit dem Namen Willem Jan Holsboer, eigentlich Kapitän von Beruf, wenn auch kein Berufener, denn die Schifffahrt liebt er nicht, heiratet seine sehr junge Engländerin. Der jungen Liebe bleibt nicht viel Zeit, denn kurz nach der Heirat erkrankt seine Frau an Tuberkulose. Davos in der Schweiz verspricht Heilung: Natur, saubere Bergluft und gute Behandlungsmöglichkeiten. Willem reist mit seiner Frau 1867 nach Davos. Es ist das letzte Jahr, das beide zusammen verbringen. Willem entscheidet sich, nach ihrem Tod in Davos zu bleiben, und heiratet nach kurzer Zeit eine Bauerntochter aus dem Ort, mit der er eine Familie gründet. Fortan beschäftigt sich Willem mit dem Aufbau und der Leitung einer Kurklinik in Davos zur Behandlung der Lungentuberkulose. Aber: Der Schiffskapitän wird nicht nur Kurklinikleiter. Sein Herz schlägt für die Bahn und die Strecke von Davos nach Lanquart muss zu überwinden sein.

Reiseerlebnis Bernina Express

Es ist 2019, August 2019, und ich stehe voller Vorfreude am Gleis des Bernina Express in Chur in der Schweiz. Von Chur aus geht es gegen neun Uhr zunächst auf einem Stück der Albulabahnstrecke über Samedan und St. Moritz, dann weiter über die Berninabahnstrecke bis nach Italien. Gut vier Stunden Fahrzeit liegen vor uns im Panoramawagen des Express.

196 Brücken, 55 Tunnel – einmal Italien und zurück an einem Tag mit dem langsamsten Schnellzug. Von Gletschern zu Palmen auf einer der steilsten Eisenbahnstrecken der Welt!

Es geht hoch hinaus! Aus dem 585 m ü. M. gelegenen Bahnhof Chur steigt die Bahn über die Strecke auf eine Höhe von 2253 m ü. M. an und führt anschließend in Schleifen hinab bis ins auf nur 429 Metern hoch gelegene Tirano in Italien.

Wie gut, dass ich reserviert habe! Der Zug platzt aus allen Nähten und wir haben einen Viererplatz in der zweiten Klasse im hintersten Waggon, sodass wir auf Brücken und in Kurven den ganzen Zug in voller Länge sehen können.

Info-Box: Tickets für den Bernina Express gibt es bei der Rhätischen Bahn. Achtung: Tickets und Sitzplatzreservierungen sind zwei unterschiedliche Dinge – beides kostet Geld und beides wird getrennt von einander verkauft. Aber beides wird für die Fahrt mit der Bahn benötigt. Man braucht also: Ein Ticket zum Fahren + eine Sitzplatzreservierung für die erste oder die zweite Klasse. Mit dem Swiss-Flex Pass oder der Swiss Half Fare Card gibt es diverse Vergünstigungen (z.B. ein kostenloses Fahrticket in der zweiten Klasse oder die Fahrt zum halben Ticketpreis) – hier genau auszurechen, was man möchte, lohnt sich ungemein!

Jeder Gast bekommt ein kleines Heft mit Infos zu den verschiedenen Stationen, zu Geschichten auf der Strecke und allerlei Wissenswertem, dazu noch eine Karte, auf der man die Strecke nachverfolgen kann. Mit Hilfe einer praktischen App lassen sich auch Audiokommentare zu verschiedenen Aussichtspunkten abspielen.

Gewusst? Die Strecke Lanquart – Davos – Tirano wurde von 1999 bis 2005 auch durch den Heidi-Express befahren.

Was für eine wundervolle Strecke mit grandiosen Aussichten! Zu Beginn an grünen Wiesen, Dörfern, Berghängen vorbei – und dann schraubt die Bahn sich immer weiter hoch. Wunderbare Brücken (die man leider immer nur dann sehen kann, wenn man davor oder dahinter ist) und dann geht es seitlich sehr sehr tief hinab.

Je höher die Bahn kommt, desto karger wird die Landschaft, und irgendwie, so ohne Bäume, erinnert mich das Panorama an die Schottischen Highlands…ein bisschen.

An der höchsten Bahnstation, der Station Alp Grüm auf 2091m ü. M., halten wir zu einer kurzen Pause, die sich wunderbar zum Fotografieren nutzen lässt. Die Rundumsicht ist perfekt und der Blick schweift über den Palügletscher und ins Puschlav.

Weiter geht es hinab, an Gletscherseen vorbei, deren aquamarinblaues Wasser so einladend aussieht, aber wahrscheinlich so kalt ist, dass ich keinen Fuß reinstecken würde. Kurz vor der italienisch-schweizerischen Grenze fahren wir am Lago di Poschiavo mit seinem kleinen Weiler Miralago vorbei, dessen Wasser einfach unglaublich ist!

Irgendwann gegen ein Uhr sind wir da. Wir sind in Tirano, in Italien! Und was macht man in Italien? Genau. Man geht essen. Etwas abseits der direkt am Bahnhof liegenden Restaurants finden wir in der Altstadt ein kleines, familiär wirkendes Restaurant mit gutem und schnellem Service – denn wir haben nur eine Stunde Aufenthalt, bevor unser Zug die ganze Strecke wieder zurückfährt; optimalerweise mit uns drin.

Info-Box: Man kann die gesamte Strecke Chur-Tirano gut an einem Tag schaffen (ca. vier Stunden hin, vier Stunden zurück). Wir haben für beide Strecken den Bernina Express gewählt. Tirano ist die letzte Haltestelle, man fährt in diesem Fall mit genau dem gleichen Zug wieder zurück. Auf dem Hinweg war der Zug sehr voll, auf dem Rückweg nicht mehr. Unser Bernina Express wurde zudem mit normalen Waggons der Rhätischen Bahn gekoppelt (vorne Bernina, hinten normal). Die Strecke zurück kann man also auch gut „normal“ ohne Panoramazugzuschlag, sondern einfach mit ganz normalem Bahnticket zurückfahren (buchbar über die Webseite der rhätischen Bahn).

Unser Abteil im Bernina-Express-Waggon ist sehr leer. So leer, dass jeder von uns einen eigenen Viererplatz für sich allein hat. Es ist ruhig, die Landschaft zieht vorbei. Irgendwie meditativ. Ich nicke ein, wache wieder auf. Gletscher, Tunnel, Landschaft, Tunnel, Landschaft. Es ist so schön.

Nach acht Stunden Bahnfahrt, vielen Höhenmetern und Kilometern, einer sehr guten Pizza und einem Gesäß, das vom vielen Sitzen etwas schmerzt, komme ich wieder in Chur an. Ich hätte es nicht gedacht, dass Bahnfahren so schön sein kann. Ich hätte gerne mehr Zeit in Italien gehabt, aber vielleicht mache ich es ja noch einmal. Mit dem Zug nach Italien fahren…

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Infos zur Tour mit dem Bernina-Express

Von wo nach wo? Gestartet in Chur bis nach Tirano in Italien, dort kurzer Aufenthalt, dann mit dem gleichen Zug wieder zurück bis nach Chur; alles natürlich ohne Umstiege.

Wo gibt es Tickets? Hier bei der Rhätischen Bahn kann man Tickets und Sitzplatzreservierungen (beides kostet jeweils einzeln) zusammen vornehmen, wenn die Fahrt in den nächsten zwei Monaten stattfindet. Soll die Fahrt später stattfinden, kann man nur die Sitzplätze reservieren (kostenpflichtig), die Tickets muss man dann vor Reiseantritt entweder im Internet oder vor Ort am Schalter kaufen. Da ein Einzelkauf der Tickets über die oben genannte Webseite bei mir irgendwie nicht geklappt hat, habe ich die Tickets dann bei der SBB.ch (der Schweizer Bahn) gekauft. Wichtig: Unbedingt drauf achten, dass der gebuchte Zug der zu der vorher gemachten Reservierung passende ist! Es sind immer Ticket + Reservierung notwendig, und beide werden einzeln gebucht.

Welche Klasse? Wir sind in der zweiten Klasse gereist, die etwas enger ist, als die erste Klasse, aber völlig ausreichend, denn die Sicht aus den Panoramafenstern bleibt wunderbar.

Gibt es Rabatte? Es gibt diverse Spar-Karten, mit denen man einzelne Attraktionen und den Nahverkehr reduziert oder kostenlos nutzen kann. Hier heißt es ein bisschen rechnen, abhängig davon, ob man noch weitere Aktivitäten (und welche) geplant hat. Es gibt z.B. auf der SBB.ch Seite Infos zum Swiss Travel Pass oder der Swiss Half Fare Card (die eine Halbtax Card ist).

Für wen ist die Tour geeignet? Für jeden, der sich für Aussichten und ruhiges Reisen interessiert. Die Strecke ist sehr abwechslungsreich und bietet wunderbare Aussichten. Auch für Menschen, die eingeschränkt beim Gehen und Wandern sind, ist dieses eine sehr gute Möglichkeit, die Schweiz zu erleben. Für Familien mit kleinen Kindern ist die Tour bedingt geeignet, wenn man an einem Tag hin und zurückfahren möchte, denn acht Stunden Zugfahren sind schon sehr lang.

Tipp! Diese Tour lässt sich wunderbar als Anschlusstour machen, wenn man zuvor mit dem Glacierexpress z.B. von Zermatt bis nach Chur angereist ist.

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3 Kommentare

  1. Kasia

    Ein cooler Tipp, mein Liebster steht auf Züge (Männer halt 😉 ) Ich versuche mich mit der Bahn anzufreunden, klappt mal besser, mal schlechter. Ich denke, so ein toller Panoramazug würde das Anfreunden erleichter, grins… Und die Bilder sind grandios. Habe mir Deinen Artikel gleich mal abgespeichert 😉

    Lg Kasia

    1. Definitiv wird das Anfreunden in so einem Zug leichter! 😉 Ich war auch erst skeptisch, denn eigentlich bin ich nicht sehr zugbegeistert. Aber der Bernina Express hat mir wirklich sehr gefallen. Und man kann ja nur eine Strecke fahren und dann direkt einen Urlaub in Italien anschließen :D. Und vielleicht fährt dein Partner ja direkt im Führerstand mit? (Auch wenn das ein sehr teures Vergnügen sein soll…hab ich gehört…).

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